„Böhmermanns Lügengeschichten“: Polizeigewerkschafter verklagt ZDF wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten

Der Polizeigewerkschafter Manuel Ostermann zieht nach einer Böhmermann-Sendung vor Gericht. Der Vorwurf: Persönlichkeitsrechtsverletzung durch haltlose Sabotagevorwürfe.
Manuel Ostermann, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hat Klage gegen das ZDF eingereicht. Nach einer bereits im Juni formulierten Programmbeschwerde geht Ostermann nun juristisch gegen eine Folge des „ZDF Magazin Royale“ vom 28. März 2025 vor, in der der Moderator Jan Böhmermann massive Kritik an der Bundespolizei äußerte.
Zudem attackierte Böhmermann den Polizeigewerkschafter in mehreren Passagen persönlich. Der Moderator bezeichnete ihn unter anderem als „Herrenmenschen im Skoda“, „selbstradikalisierter Michel aus Lönneberga“ und „dreiviertel gefüllten Boxsack mit der Blitzkriegfrisur“ – Formulierungen, die von den Verteidigern als diffamierend und existenzbedrohend eingestuft werden. Die Klage wird von der Kölner Kanzlei Höcker Rechtsanwälte vertreten.
Gegenstand der juristischen Auseinandersetzung ist die rund 30-minütige Sendung mit dem Titel „Wer ist hier das Sicherheitsrisiko?“, die sich kritisch mit dem „Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ (BAP) befasste. Der Moderator behauptete unter anderem, dass einzelne Beamte der Bundespolizei gezielt Fehler in Visaverfahren zuließen oder begingen, um das Programm zu sabotieren.
„Teile meiner Bundespolizei missbrauchen die Bundespolizei, um Politik zu machen, gemeinsam mit interessierten Medien und Politikern. Weil sie das BAP aus irgendwelchen Gründen scheiße finden, machen sie absichtlich Fehler, um das eigentlich sichere Bundesaufnahmeprogramm zu sabotieren. Das wär ganz schön krass, oder?“, sagte Böhmermann wörtlich. Die Bundespolizei sei damit ein größeres Sicherheitsrisiko für Deutschland als die Geflüchteten, die sie angeblich kontrollieren solle.
Diese schwerwiegenden Vorwürfe richteten sich in der Sendung exemplarisch gegen einen einzigen namentlich genannten Beamten: Manuel Ostermann. Im Verlauf der Sendung spitzte Böhmermann seine Vorwürfe zu. Ostermann soll, so die Darstellung des Satirikers, gemeinsam mit Medien und politischen Kräften Stimmung gegen das BAP gemacht haben, um migrationspolitische Positionen durchzusetzen.
Die zentrale Behauptung: Er habe dabei seine Rolle als Beamter und Vertreter der Bundespolizei missbraucht, um politisch zu agitieren. Die Kanzlei Höcker, die Ostermann vertritt, sieht darin eine eklatante Verletzung journalistischer und rechtlicher Standards. In der Klage heißt es: „Der Kläger geht mit dieser Klage gegen eine rechtswidrige TV-Berichterstattung und die Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor.“

Laut den Anwälten wurden in der Sendung schwerwiegende Vorwürfe nicht nur satirisch, sondern als faktische Unterstellungen formuliert. Der Kläger wurde – ohne vorherige Kontaktaufnahme oder Möglichkeit zur Stellungnahme – öffentlich an den Pranger gestellt, so die Kritik. Das verletze die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung. Die Darstellung sei unausgewogen und vorverurteilend, so die juristische Einschätzung.
In der Klage, die der Berliner Zeitung vorliegt, heißt es dazu: „Im Vorfeld zur Sendung wurden journalistische Grundpflichten eklatant verletzt. Das gilt ungeachtet der satirischen Darstellung der Vorwürfe. Denn die Vorwürfe selbst werden als feststehender Tatsachenteil von der satirischen Darstellung bloß umrandet.“ Während das ZDF sich auf den Charakter der Satire berufe, argumentieren die Anwälte, dass der satirische Rahmen keine falschen Tatsachenbehauptungen decken könne.
Im Zentrum der juristischen Argumentation steht die Zurückweisung des Vorwurfs, die Bundespolizei, beziehungsweise Ostermann, habe faktisch Einfluss auf die Erteilung von Visa im Rahmen des BAP genommen. Die rechtliche Zuständigkeit für solche Entscheidungen liege nicht bei der Bundespolizei, betonen die Anwälte, sondern beim Auswärtigen Amt und bei den zuständigen Visastellen.
Die Beamten der Bundespolizei wirkten lediglich beratend mit. Grundlage dafür sei die „Ressortvereinbarung vom 10.06.2009“ zwischen dem Innenministerium und dem Auswärtigen Amt. „Schon damit steht fest, dass der Kernvorwurf der Sendung nicht haltbar ist, da die Bundespolizei keine finale Entscheidung über die Erteilung von Visa trifft“, bekräftigt die Verteidigung.
Anwalt Rafael Sarlak: „Diese Falschbehauptung greifen wir an“Diese Einschätzung sei auch durch öffentlich zugängliche Dokumente und Verwaltungsregeln gedeckt. Der zentrale Vorwurf Böhmermanns, dass Beamte der Bundespolizei gezielt fehlerhafte Einreisen ermöglicht oder forciert hätten, sei damit faktisch unbegründet.
In einem Interview mit der Berliner Zeitung hatte Ostermann bereits im Juni klargestellt, dass er die Darstellungen nicht mehr hinnehmen wolle: „Jan Böhmermann versucht permanent unter dem Deckmantel von Satire, Menschen zum Teil mit widerwärtiger Rhetorik und Methode existenziell zu zerstören. Mit Halbwahrheiten, einer Menge Ideologie und unter Ausschluss anderer Meinungen und Fakten diffamiert er Organisationen und einzelne Menschen.“
Rafael Sarlak, Anwalt für Presserecht bei Höcker, äußerte sich zur Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und sagte der Berliner Zeitung: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Auftrag: Er muss seine Zuschauer wahrheitsgemäß informieren. Böhmermann hat gegen diese Pflicht verstoßen. Er hat seinen Zuschauern weisgemacht, die Bundespolizei würde staatliche Verfahren bewusst manipulieren. Genau diese Falschbehauptung greifen wir an. Sie wird ebenso wenig Bestand haben wie Böhmermanns Lügengeschichten über Arne Schönbohm.“Sollte das Gericht dem Kläger recht geben, könnte das Urteil Signalwirkung entfalten, insbesondere für den rechtlichen Umgang mit satirischer Berichterstattung über Beamte und Institutionen.Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! [email protected]
Berliner-zeitung